Deutscher Rap ist der neue Pop. Wer das nicht glaubt, muss nur einen Blick in die Singlecharts werfen: Fünf, sechs, manchmal sogar sieben Songs dürfen wöchentlich dem hiesigen HipHop-Genre zugeordnet werden. Deutscher Rap bricht Verkaufsrekorde, er diktiert die Trends in Sachen Streetwear und prägt die Sprache auf den Schulhöfen. Urbane Kultur und Rap sind im Jahr 2019 hierzulande in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Nur logisch, dass er jetzt auch seinen eigenen Preis bekommt. Denn am 10. Juli findet in Berlin erstmalig der HYPE-Award statt – veranstaltet von der Werbeagentur DOJO und der Event- und Bookingagentur Streetlife International, mit Sido als Schirmherr.
»Als Nader uns gefragt hat, ob wir den Award zusammen machen wollen und er uns dabei tief in die Augen sah und uns Shisharauch ins Gesicht pustete, wussten wir, was zu tun ist«, sagt Dominic Czaja von DOJO. »Auch wir sind von HipHop erzogen worden und sehen schon lange den Fehler im System der deutschen Musikbranche. Wir haben uns irgendwann mal tätowiert, dass wir - bei egal was - antreten, um Standards zu brechen: Werbung, Döner und jetzt eben auch Musik-Awards in Flammenform. Außerdem hofft mein Partner Joachim, dass er so doch noch Chancen auf seine Rap-Karriere hat.«
»Berlin ist die Hauptstadt. Berlin ist Szene. Hier trifft Straße auf Glamour – der perfekte Ort für die HYPE Awards«, begründet Nader Korayim von Streetlife International die Wahl des Standortes. »Hip-Hop wurde hierzulande noch nie mit einer eigenen großen Award Show ausgezeichnet. Zeit das zu ändern! Wir wollen die Künstler für ihre Arbeit würdigen, ihnen eine Bühne geben und das gemeinsam mit den Fans feiern«, sagt Nader Korayim.
Denn wenn Anfang Juli die von einer Jury aus Journalisten und Experten ermittelten Awards vergeben werden, passiert das im Rahmen einer zweieinhalbstündigen Show in der Verti Music Hall mit jeder Menge Live-Acts und einer rauschenden Aftershow-Party. Wer am Ende in den 20 Kategorien die Awards in Kettenform abräumen wird, ist noch nicht klar. Fest steht aber, dass die Nominierten und ihr Sound nicht unterschiedlicher sein könnten. Denn deutscher Rap klingt 2019 so vielschichtig wie nie: Das beste Beispiel sind die vier Künstler, die das Cover dieser Ausgabe zieren.
Da ist zum einen Nura, die als Teil des Duos SXTN gestartet ist und zuletzt mit ihrem Solodebütalbum »habibi« bewiesen hat, warum sie so wichtig für die Szene ist. Nura hat keinen Bock auf das Männlichkeitsgehabe ihrer Kollegen und macht den Mund auf, engagiert sich hat aber trotzdem die Hits und ist Solo und als Featurepartnerin Dauergast in den Playlisten. Ganz ähnlich Sero, der sich vom Geheimtipp zum gestandenen Künstler gewandelt hat und in seiner Musik klare Ansagen mit künstlerischem Ansatz verbindet.
Geprägt wurden beide durch die vorangegangene Generation. Frauenarzt, der Name macht es deutlich, steht seit jeher für ungefilterten und expliziten Rap aus der Hauptstadt. Mit seinen Labels und Tapeproduktionen hat Ende der 90er wichtige Struktur geschaffen für die Berliner Szene geschaffen. Dabei immer an seiner Seite: MC Bogy, der sich in seiner Jugend erst als Graffitisprüher und dann als Rapper verdingte, aber mittlerweile auch Sendungen wie die legendäre Neuauflage von »Yo! MTV Raps« moderiert.
Alle vier prägen nicht nur Rap, sondern auch die gesamte Gesellschaft in ihrem Style – modisch, musikalisch, sprachlich – und zeigen so, dass Rap im Jahr 2019 weit mehr als nur ein Trend ist. »Deutschrap ist kein Trend, Deutschrap setzt Trends«, sagt Dominic Czaja. »Wir wollen mit dem HYPE Award nicht nur innerhalb der Szene feiern, sondern jedem die Möglichkeit geben, Teil von etwas Größerem zu sein: Schauspieler, Sportler, Politiker - alle hören Rap. Und auch Marken identifizieren sich wieder mit unserer Kultur. Sie alle sind eingeladen, mit uns in die Cypher zu steppen. It‘s bigger than HipHop.«
Text: JAN WHEN
Fotos: MAXIME BALLESTEROS
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